Was vor über 100 Jahren einem kleinen Kreis von Pferdefreunden vorbehalten war, ist heute Freizeit- und Sportmittelpunkt vieler Menschen.

Reitsportbegeisterte gibt es in allen Einkommensschichten, von Kleinkind in Voltigierkursen bis hin zu Teenagern und Erwachsenen und älteren Mitmenschen, die die verschiedenen Arten des Reitsports ausüben. Der Pferdesport ist ein Teilbereich des Sports, der alle Sportarten enthält, die mit dem Pferd als Partner ausgeübt werden. Er lässt sich grob in Reitsport, Fahrsport, Voltigieren und Bodenarbeit unterteilen. In den frühen zwanziger und dreißiger Jahren gab es Prüfungen wie Trabreiten für Kaltblüter- und Warmblüter, Eignungsprüfungen für Arbeits- und Wagengespanne, Jagdspringen, Reiterspiele und verschiedene Schaunummern, wie im nachfolgenden Absatz dargestellt.

Damals schrieb die Stadt als Veranstalterin ein „Landwirtschaftliches Trabreiten" (Abb.) aus. Zugelassen waren nur von Landwirten des Kreises Erbach gezüchtete oder in deren Besitz befindliche Pferde. Unter dem hohen Protektorate Sr. Erl. des Grafen Georg Albrecht zu Erbach-Erbach beteiligten sich am 25. Juli 1910 insgesamt 29 Reiter in vier Läufen. Die Bahn hatte eine ungefähre Länge von 1200 Metern und befand sich auf der oberen Seewiese, die an den Wiesenmarkt-Festplatz angrenzte. Man hatte mit dieser Reitsportveranstaltung dem bislang ziemlich eintönig verlaufenden Montag als 2. Markttag einen besseren Besuch sichern wollen.

Welche Bedeutung die Pferdesportlichen Veranstaltungen in Verbindung mit dem Wiesenmarkt erlangen würden, war damals sicherlich nicht vorauszusehen.

Diese erste Reitveranstaltung war offensichtlich sehr erfolgreich. Denn nur wenige Monate später kam es dann schon zur Gründung des ersten Reitervereins, des Odenwälder Reitervereins. Übrigens feierte der Odenwälder Reiterverein in Erbach in diesem Jahr sein 100-jähriges Bestehen und kann mit Fug und Recht und nicht ohne Stolz behaupten, der erste Reit- und Rennverein im Odenwaldkreis gewesen zu sein.

Auch wenn viele Jahre dazwischen liegen, kann man grob die Einteilungen von früher auf Heute übertragen.

Im Odenwaldkreis gibt es heute bedeutende Dressur- und Springturniere, mit Prüfungen der schweren Klasse (S), die einen guten Ruf weiter über das Kreisgebiet hinaus genießen. Gedacht ist hier an das große Reit- und Springturnier mit Markttreiben in Beerfelden, dem Pferdemarkt, genauso wie dem Wiesenmarktturnier in Erbach. Auch Pferderennen werden in Erbach noch ausgetragen, auf der sich am alten Standort befindlichen Rennbahn, die jährlich traditionell am letzten Wiesenmarktsonntag stattfinden. Odenwälder feiern Erfolge bis hin zu Olympischen Spielen, hier sei Emma Hindle (Dressurreiterin) erwähnt, die mit ihrem Gestüt Brookhouse Stud. in Erbach auf dem Rollehof ansässig ist. In der Sparte Westernreiten sei stellvertretend für viele andere das Traditionsgestüt „Roßbacher Hof", im 18. Jahrhundert als Gestüt und Hof mit Milchvieh- und Schweinehaltung sowie Ackerbau gegründet, heute von dem mehrfachen deutschen, Welt- und Europameister im Westernreiten George Maschalani, geführt. Heute ist der Hof getrennt in Freestyle Ranch und der Schweinezucht der Familie Almenröder.

Auch die Fjordpferdezucht hat, besonders im Gersprenztal, eine lange Tradition. Viele der bekannten Fjordpferdezuchtlinien stammen aus der Zucht der Familien Eidenmüller, überall nicht nur in Deutschland bekannt. So war eine Fahrquadrille unter Mitwirkung von Odenwäldern mit ihren Fjordpferden auf Einladung des Scheichs von Dubai auf einem Festival in den Emiraten, ein großer Erfolg. Auch der Breitensport sei nicht zu vergessen, in diesem Jahr war eine Mannschaft des Kreisreiterbundes unter Leitung von Sonja Zörgiebel in Bad Hersfeld erfolgreich und brachte den Sieg im Championat der Kreisreiterbünde mit in den Odenwaldkreis. Etabliert hat sich das Fahrturnier auf dem Michelshof in Michelstadt. Auf dem Michelshof hat man sich, außer auf das jährlich stattfindende Reitturnier, auf qualitativ hochwertige und bundesweit ausgeschriebene Fahrturniere spezialisiert. Die Fahrer aus dem ganzen Bundesgebiet kommen gerne nach Michelstadt und genießen die familiäre Atmosphäre, die heute nur noch selten anzutreffen ist.

Die Vielfalt unseres Sports, Dressur- und Springreiten, Western, Breiten- und Freizeitsport, therapeutisches Reiten, Voltigieren bis hin zum Fahren in allen Facetten, macht diesen einzigartig.

Heute gibt es im Odenwaldkreis ca. 1.500 Pferde, Esel, Ponys, bei einer Einwohnerzahl von ca. 97.000 Menschen.

Unsere Odenwälder Landschaft, gerne liebevoll als hügelig und buckelig bezeichnet, eignet sich sehr gut für unseren Sport. Im Odenwaldkreis gibt es mittlerweile 21 eingetragene Vereine mit 2.030 Mitgliedern. Der Kreisreiterbund Odenwald ist Partner und Unterstützer seiner Mitgliedsvereine. Er agiert außerdem als Förderer des Pferdesports im Kreis, organisiert die jährlichen Kreismeisterschaften im Reiten und Fahren.

Der Kreisreiterbund bietet Weiterbildungskurse für Trainer an, unterstützt begabte Jugendliche bei der Weiterbildung durch erfahrene und erfolgreiche Trainer, betreibt Öffentlichkeitsarbeit für seine Mitgliedsvereine und vieles mehr. Der Vorstand des Kreisreiterbundes arbeitet ehrenamtlich. Der Zahl der nichtorganisierten Reiterinnen, Reiter, Fahrerinnen und Fahrer ist relativ hoch. So gibt es viele Pferdefreunde, die ihren Sport aus Spaß, Freude und einfach der Gemeinschaft mit ihrem Vierbeiner wegen genießen und sich keinem Reglement unterwerfen möchten.

Trotz des demographischen Wandels und der hohen Anforderungen in Schule und Ausbildung, kann sich der Pferdesport wachsender Beliebtheit freuen.

Mittlerweile ist sicherlich auch der Wirtschaftsfaktor Pferd von großer Bedeutung, sei es in Pferdehöfen, die früher Milchviehhaltung betrieben und auf Pferdepension mit Reitbetrieb umgestellt haben. Gerade in unserer industriearmen Region, die viele Vorteile als Wohn- und Erholungsgebiet hat, ist dies ein Erwerbszweig, der nicht außer Acht gelassen werden kann. Alles, was sich rund um das Pferd dreht, sei es Futter, Tierarzt, Pflege, Schmied, kann hier vor Ort angeboten werden. Auch die Förderung der sozialen Kompetenz bei Jugendlichen und jungen Erwachsenen durch den Umgang mit dem Pferd und mit Gleichgesinnten ist von großer Bedeutung.

Die Ehrung der Kreismeister in allen Sparten des im Odenwaldkreis ausgeübten Reitsports findet traditionell auf dem „Ball der Erbacher Reiter" im Januar statt. Dankenswerterweise unterstützt der Erbacher Reiterverein den Kreisreiterbund damit, dass alle zu Ehrenden und eine Begleitperson freien Eintritt zu dieser, mittlerweile noch einzigen Tanzsportveranstaltung der Reiter, erhalten.

Zugleich ist dies der Beginn der neuen „Saison" für alle aktiven Reiterinnen und Reiter, Fahrerinnen und Fahrer.

Christa Wilka